Ehemalige Ortslistennummer/Brandkatasternummer 18
Restaurant „Schiefer Winkel“
Das Restaurant “Schiefer Winkel” auf einer alten Ansichtspostkarte, gelaufen am 22. September 1932.
(Vorlage: Christian Reuter)
Wie damals recht häufig bei Einkehrstätten, so war auch hier hinter dem Gebäude ab etwa Mitte der 1920er Jahre eine Kegelbahn.
Zum Namen resp. dessen Grundlage kommen wir weiter unten, indes sei schon hier bemerkt, dass auch die Schreibweise „Schieferwinkel“ allzu geläufig war.
Der gleiche Blickwinkel am 29. Juli 2009.
Das Grundstück ist heute mit einem Einfamilienhaus bebaut.
Im Einsiedler Adressbuch von 1893 finden wir als Eigentümer den Restaurateur und Materialwarenhändler Heinrich Wilhelm Claußner.
Der älteste visuelle Nachweis über das Gebäude, der derzeit hier vorliegt, ist die nebenstehende Lithographie vom 13. August 1898. Aber das Gasthaus ist wesentlich älter.
Der Einsiedler Heimatforscher Otto Kämpfe schreibt am 26. Februar 1938 im Wochenblatt für Einsiedel:
“Da stehen in der Nähe des alten Gasthauses “Zum Schieferwinkel” sechs ebenso alte Häuschen, die auch vor hundert Jahren schon dort gestanden haben.”
Links Impressionen aus den rückwärtigen Gartenteil um 1906/07, rechts eine undatierte Aufnahme aus den 1920er Jahren von der Straße aus gesehen.
(Fotos: links Heinz Mütze, rechts Christian Reuter)
Ein Foto der Wirtsleute um 1918, es war nunmehr die Familie Hingst:
V.l.n.r.: Dora Hingst, Richard Hingst, Minna Hingst, Erich Hingst, eine Hausgehilfin, Gertrud Hingst.
Auf der Treppe im Hintergrund eine namentlich nicht bekannte Person, wohl ein Gast.
(Foto: Christian Reuter)
Links eine “Zeichnung über Errichtung einer Asphalt-Kegelbahn mit Abortanlage” vom 10. Oktober 1925, wie sie im Maßstab 1:100 von Herrn Restaurateur Richard Hingst, Einsiedel, dem Gemeinderat vorgelegt wurde.
(Vorlage: Carsta Schuffenhauer)
Eine Reklameanzeige aus dem “Einsiedler Wochenblatt” von 1935.
(Vorlage: Hans-Christian Günther)
Ein Blick in die Einmündung Berbisdorfer Straße/Hauptstraße in den 1930er Jahren.
Wir sehen im Hintergrund in der Mitte das Restaurant “Schieferwinkel”, es sollte den verheerenden Bombenangriff am 5. März 1945 nur mit immensen Schäden überstehen. Schwere Treffer machten das Gebäude baufällig, sämtlicher Restaurationsbetrieb war erloschen. Der linke Gebäudeteil (die ehemaligen Gasträume) war einigermaßen bewohnbar. Der Tochter der Gastwirtin Minna Hingst, Gertrud verh. Knöbel (siehe Foto oben), nebst Familie dienten die Räume nach dem Kriege als Heimstatt. Später zogen die Knöbels dann in die Hauptstraße 112.
Vorerst war nach dem Krieg im rechten Eingang auch der “Lausmann-Schuster” eingemietet, er zog dann in das Gebäude gegenüber (Berbisdorfer Straße 5). Im mittleren Eingang finden wir nach 1945 noch den Friseur Wächtler. Dieser beendete sein Geschäft, als das baufällige Gebäude 1952 abgerissen wurde.
Bis etwa 1950 soll sich im ersten Stock des Hauses auch noch ein Sarglager befunden haben.
(Informationen: Christian Reuter).
Die gleiche Stelle wie das Foto darüber am 29. Juli 2009.
Jahrzehntelang war das Grundstück Berbisdorfer Straße 8 dann unbebaut und leerstehend, bis es Ende der 1980er Jahre von der Familie Schuffenhauer gekauft wurde. 1989 war dann Baubeginn für ein Einfamilienhaus, welches 1992 bezugsfertig war.
Links Grundstück und Haus am 29. Juli 2009, unten eine Bauzeichnung des geplanten Gebäudes aus dem Jahre 1989.
(Bauzeichnung: Carsta Schuffenhauer)
Die volkstümliche Einsiedler Bezeichnung “Schiefer Winkel” oder auch “Schieferwinkel” für das Areal ebenda
Dazu gibt es zwei schlüssige Erklärungen, beide sind sehr unterschiedlich und die am meisten zitierte ist aller Wahrscheinlichkeit nach die Falsche.
Bis heute nicht totzukriegen ist die Aussage, dass ein ehemaliger Weg der Namensgeber für jene Einsiedler Ecke war, bildete dieser doch zwischen Berbisdorfer- und Hauptstraße eine Art Abkürzung in Form eines spitzen (schiefen) Winkels. Nun, diesen Weg gab es tatsächlich, er begann zwischen den Grundstücken Hauptstraße 94 und 96 und traf nur wenige Meter später auf die Berbisdorfer Straße, kurz unterhalb der hier behandelten Restauration, etwa da, wo wir heute zum ehemaligen Park aufsteigen. Und dieser Weg hatte auch einen Namen, man ahnt es fast: “Schieferwinkel”.
Aber diese Wegbezeichnung muss viel weiter zurück verfolgt werden, auch hier finden wir bei Otto Kämpfe wertvolle Hinweise:
Wir treffen erst nach einigen Anstieg auf den Namensgeber dieses Fleckens und hier wird uns dann auch bewusst, dass das “Schieferwinkel-Gebiet” doch wesentlich größer ist, als uns alte und neue Zeitgenossen mit ihrer “Geometrie-Theorie” glauben machen wollen.
In Höhe Berbisdorfer Straße 27 führt ein etwas breiterer Weg zu den Grundstücken 29 (Bergert) und 31 straff den Hang empor. Die Nr. 31 ist das Oertel-Gut und hier finden wir auch den Schlüssel zu “Schiefer Winkel”. Wenn auch schon lange Zeit im Oertelschen Besitz, so waren doch in diesem Gut bis weit in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein die Schiefer-Bauern ansässig, wohl an die 200 Jahre lang! Der bedeutendste unter ihnen war der Bauer Clemens Schiefer. Es kann als sicher gelten, dass dieses Bauerngeschlecht der Namenspatron für den “Schieferwinkel” wurde.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch ein Schieferbruch für den Namen herhalten musste, doch ist diese Vermutung wenig stichhaltig.
Nachbrenner
„Schiefer Winkel“ ist sicher nicht alltäglich für die Benennung eines Gasthauses, indes gibt (…gab) es auch andere ausgefallene Namen. Als Heimatforscher bekommt man stets alte Literatur der verschiedensten Art in die Hände. Die beiden nachfolgenden Schnipsel sind aus einem Wanderführer für das Erzgebirge von 1925. Und da hinterfragen wir jetzt nicht, warum die Gasthäuser so hießen (es finden sich aber Informationen, die Lokalitäten war regional bekannt).
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