Einsiedler Brauhaus | 1903 bis 1920

Teil II: Einsiedler Brauhaus AG

 

Vertreterkarte Einsiedler Brauhaus AG1903

… erfolgt die Umwandlung der Privatbrauerei in eine Aktiengesellschaft, die “Einsiedler Brauhaus AG”.
Rechts eine Vertreterkarte aus dieser Zeit, sie hat im Original etwa Postkartengröße.
Mit „Niederlagen“ sind Zweigniederlassungen gemeint.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Geschichtsgruppe von H+G Einsiedel zu Gast im alten Sudhaus

Echt Einsiedler Böhmisch, Originaledikett der Privatbrauerei "Einsiedler Brauhaus" von 2008

Auch 1903 wird die Biersorte “Echt Einsiedler Böhmisch” als erstes Bier unter dem Markennamen “Einsiedler” auf den Markt gebracht.

Was zum Zeitpunkt allerdings noch keiner wusste: 105 Jahre später soll “Echt Einsiedler Böhmisch” seine zweite Auferstehung feiern – links das Flaschenetikett der Neuauflage des Bieres 2008.

Das auf diesem Etikett benannte „Originalplakat“ ist kein Marketingtrick, sondern befindet sich heute im „Alten Sudhaus“.

 

 

Das „Alte Sudhaus“ zeigt neben diesem Bild auch anderes Historisches und wird als Veranstaltungsraum genutzt. Oben rechts ist die Geschichtsgruppe von H+G Einsiedel einer Einladung von Frank Kapp gefolgt und hat ihr monatliches Treffen ebenda durchgeführt. Gott sei Dank waren alle zu Fuß da… 😉 

Auch „Altes Sudhaus“ ist mehr als ein brauereispezifischer Name für die Räumlichkeiten, wie sie derzeit hier genutzt werden. 1903 wurde in diesem Gebäudeteil die Würze produziert. Aber nicht mehr lange, zum „Neuen Sudhaus“ kommen wir in wenigen Augenblicken.

 

Reklameanzeige Einsiedler Brauhaus AG 19051905

Aus diesem Jahr sind die beiden Reklameanzeigen mit Einfassungen der zum Zeitpunkt noch immer populären floralen Ornamente im Jugendstil.
Unten das Brauhaus vor dem Bau des neuen Sudhauses, von der rückwärtigen Grundstücksgrenze aus gesehen, also Richtung Hauptstraße.
Einsiedler Brauhaus AG 1905 vor dem Bau des neuen Sudhauses

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1906

Das Kontorgebäude wird aufgestockt.

In der DDR-Zeit war nur im Erdgeschoss die Verwaltung untergebracht, in der 1. Etage und im Dachgeschoss befanden sich Wohnungen für Werksangehörige. Seit der Wende wird es vollständig für die Verwaltung genutzt. Es hat keine eigene Hausnummer.

 

1907 bis 1908

… steht die wohl größte Investition für diese Epoche an: Das neue Sudhaus und die nötigen Nebenanlagen werden errichtet.
Dieses Sudhaus ist für eine Jahreskapazität von 200.000 hl ausgelegt. Auch wird wiederum ein neues Maschinen- und Kesselhaus mit entsprechend großem Schornstein und ein Kühlturm gebaut.
Die kleine Galerie zeigt uns die Errichtung der Bauwerke.

Dampfkessel der Maschinenfabrik Germania Chemnitz1908

 

1908

… wird der rechts abgebildete Heizkessel – hergestellt in der Maschinenfabrik Germania Chemnitz – nach Einsiedel ins Brauhaus transportiert.

 

 

 

 

 

Nachfolgend drei Fotos vom Transportgeschehen:

Dampfkessel für die Einsiedler Brauhaus AG vor dem Gasthof Einsiedel 1908

 

 

 

 

Aber gehen wir ruhig ein paar Schritte mit und begleiten die schwere Fracht den letzten Kilometer bis zu seinem Ziel.
Auf dem Foto links befindet sich der etwa 12 PS starke Zug gerade vor dem “Gasthof Einsiedel” – kurzer Stopp für einen „Foto-Halt“.
Es ist zu vermuten, dass der Kessel von Beginn an auf der Straße transportiert wurde und nicht mit der Eisenbahn in Einsiedel ankam.

 

 

 

Der Dampfkesseltransport für die Einsiedler Brauhaus AG unterhalb der Schulen in Einsiedel 1908

Am Schulberg. Im Bild rechts das Doppelhaus Hauptstr. 86 und 84, das kleine Haus oben am Berg ist die Kirchgasse 14, darüber dann die beiden Schulen.

Beachtenswert, wenn man ins Detail geht, die Zwönitz im Vordergrund. Das befestigte Ufer gehört zu einer Insel, unmittelbar dahinter und noch vor dem Straßengeländer verläuft der Mühlgraben der “Fabrik patentierter Neuheiten” von Guido Riedel in der Hauptstr. 97, heute „nahkauf Woitschig“.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Kesseltransport ist in der Brauerei Einsiedel angekommen

Geschafft, Einfahrt im Brauereihof.

Hinten das Fachwerkhaus des Gasthauses “Drei Eichen”, Baujahr um 1832. Hier wird im nächsten Jahr ein großer Saal angebaut … und 1996 abgerissen.

Rechts im Hintergrund das “Donath-Gut” in der Hauptstr. 137, heute Getränkemarkt “Guts-Quelle”.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1910   25 Jahre Einsiedler Brauhaus

Am 3. März stirbt Emil Schwalbe (geb. 31. Dezember 1848). Sein Sohn Karl, der bereits seit 1901 an der Seite seines Vaters tätig war, tritt die vakante Direktorenstelle an. Im gleichen Jahr liegt der Bierausstoß bei etwa 52.000 hl.

Für das Überlaufwasser des Gemeindehochbehälters auf der Körnerhöhe wird eine Einrichtung geschaffen, um dieses in die Brauerei zu leiten. Der Betrieb darf dieses Wasser für sich verwenden und zahlt dafür pauschal 100 Mark jährlich an die Gemeindekasse.

Etwa im gleichen Zeitraum entstanden die nachfolgenden Fotos für das Buch „Chemnitz in Wort und Bild – Festschrift zur Einweihung des Neuen Rathauses“ . Dieses Buch wird 1911 erscheinen und die Einsiedler Brauhaus AG ist dort -neben vielen anderen Firmen – mit einem redaktionellen Artikel aufgeführt. Die Brauerei Einsiedel war also ganz klar mit auf der „Sponsorenliste“ für den Rathausneubau in Chemnitz und heute sind wir froh, aus diesem Buch zitieren zu können, gewährt es uns doch einen Blick in das Innere der Einsiedler Brauhaus AG und in die Betriebsabläufe dieser Zeit.

 

Dynamomaschine

Dynamomaschine

Wir lesen:
Eine 120 PS Dynamomaschine mit einer großen Akkumulatorenbatterie versieht sämtliche zur Brauerei gehörigen Räume mit elektrischem Licht und treibt 20 verschiedene Motoren, da der Transmissionsbetrieb ganz in Wegfall gekommen ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Blick in die Einsiedler Brauhaus AG um 1910

Cornwallkessel

 

Der Dampf sowohl für die Braupfannen, als auch für die Trebertrockenanlage wird zwei nebeneinanderliegenden Cornwallkesseln von je 100 qm Heizfläche entnommen. Von einem, vor dem neuen Kesselhause liegenden unterirdischen Kohlensilo für 10 Doppelwagen Kohle werden die beiden Kessel, nachdem die Kohlen vorher eine automatische Waage passiert haben, um täglich den genauen Kohlenverbrauch zu kontrollieren, ganz selbsttätig automatisch beschickt.“ [sic]

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1911

 Für das Jahr wird der Absatz auf über 60.000 hl beziffert – ohne Flaschenbierabfüllung.

Reklameanzeige der Einsiedler Brauhaus AG 1911Rechts eine Werbeanzeige aus dem “Chemnitzer Tageblatt” vom 2. September 1911.

 

 

 

 

 

 

Aber wir wollen an dieser Stelle einen kurzen Blick in die Transportlogistik des Brauhauses in jener Zeit werfen:

Bahnwaggons der Einsiedler Brauhaus AG um 1930

 

 

 

Für die größeren Strecken besaß die Brauerei drei spezielle Bahnwaggons. Die Bahntransporte gingen in die Niederlagen (… Filialen) nach Aue, Großbauchlitz (bei Döbeln), Limbach, Roßbach und Zwickau, ab 1920 auch nach Annaberg.
Foto links um 1931/32.

 

 

 

Auslieferung von Fassware mit Pferdefuhrwerken um 1911Die “mittleren” Touren bedienten die Pferdefuhrwerke:
Hoheneck, Hohenstein, Limbach, Jöhstadt, Schwarzbach/Enderlein, Scheibenberg, Zöblitz und Zwönitz.
Das Bild zeigt die “Bierkutscher” vor dem neuen Sudhaus.
Der Bestand an Zugtieren beträgt um 1911 33 Pferde und 12 Ochsen.
Hinzu kamen zwei Bierverleger-Pferde (Bierverleger: Großhändler bzw. Zwischenhändler einer Brauerei).
(Foto: Einsiedler Brauhaus)

 

 

 

 

 

 

Unten: Für Lieferziele “gleich um die Ecke” waren die Ochsengespanne (4 km/h) bestimmt: Neukirchen, Gornsdorf und Meinersdorf, manchmal auch nach Hoheneck.
(Fotos: Einsiedler Brauhaus)

 

1912

Die ersten Lastkraftwagen werden angeschafft. Die (unterschiedlichen) Fabrikate der Fahrzeuge unten sind nicht bekannt, aber die Einsiedler Brauhaus AG hat ihre Flotte seinerzeit schön durchnummeriert. Wir sehen also unten links Lkw Nr. 1, daneben die Nr. 5. Derartige Nummerierungen gab es auch schon auf den im I. Teil abgebildeten Eiswagen. Es ist unklar, ob auch die Wagen für die Ochsen und Pferde nummeriert waren.

Echt Einsiedler Böhmisch (Edikett der Flaschenrückseite)1913

Die eingangs der Seite erwähnte Biersorte “Echt Einsiedler Böhmisch” ist die Spezialität des Brauhauses. Der Name lehnt sich bewusst an “Böhmen” (damals Österreich-Ungarn, heute Tschechische Republik) an, da in der dortigen Stadt Pilsen eben das “echte Pilsner“ (…also nach Pilsener Brauart) hergestellt wurde. 
Das “Einsiedler Böhmisch” soll diesen geschmacklich sehr nahegekommen sein, indes durfte aus namensrechtlichen Gründen die Bezeichnung „Pilsner“ nicht genutzt werden.
Auf diesen Umstand weisen auch die rückseitigen Etiketten der Neuproduktion von 2008 hin. Die Abbildung rechts zeigt uns ein solches Etikett der ersten Serie von 2008, 2020 sind diese leicht modifiziert.

Zahlreiche Auszeichnungen belegen den hohen Qualitätsstandard der Einsiedler Biere, etwa 76.000 hl können 1913 umgesetzt werden.

Am 30. August wird ein weiteres Warenzeichen eingetragen: “Einsiedler Doppel-Bock”.

 

 

1914

Bestätigung Zahlungseingang der Einsiedler Brauhaus Ag 1916Am 28. Juli beginnt der Erste Weltkrieg, seit 2. August ist auch das Deutsche Reich involviert. Große Teile der Belegschaft erhalten ihren Einberufungsbefehl.
LKW und Pferde müssen an die Heeresverwaltung abgegeben werden. Das Liefergebiet, was vorher noch teilweise über Sachsen hinaus ging, wird auf etwa 25 km Umkreis eingeschränkt.
Die Pferdegeschirre kamen manchmal erst früh um 5 Uhr von einer Auslieferung zurück. Die Kutscher ruhten nur kurz aus, um dann eine neue Tour zu fahren. Diesmal aber mit Ochsen, die Pferde hatten einen Ruhetag. Ein Geschirrführer verdiente um diese Zeit wöchentlich 28 Mark, hinzu kamen 9 Mark Auslöse in der Woche, bei weiten Touren 18 Mark.

Nebenstehend sehen wir eine der damals üblichen Zahlungsbestätigungen.
Zum Ausstellungszeitpunkt dauerte dieser Krieg nun schon zwei Jahre, zwei weitere Jahre und drei Monate werden noch folgen …
(Vorlage: Jürgen Krauß)

 

 

 

1920

Im Laufe des Krieges und in den unmittelbaren Nachkriegsjahren wurden die Rohstoffzuteilungen immer knapper, bis 1920 sinkt der jährliche Ausstoß auf 30.000 hl.
Dieser Rückgang ist als Hauptgrund der Aktionäre der Einsiedler Brauhaus AG anzusehen, das Unternehmen am 1. Oktober 1920 an die „Deutsche Bierbrauerei AG, Berlin“ zu verkaufen.

 

 

Ehemaliges Steinert-Gut in Einsiedel um 1910Was sonst noch geschah:

Die Einsiedler Brauhaus AG kauft in dieser Epoche das “Steinert-Gut” in der Hauptstraße 136 (landwirtschaftlich bewirtschaftet bis 1896, Foto rechts) und das “Donath-Gut” in der Hauptstraße 137 (bewirtschaftet bis 1898, heute die „Gutsquelle“).
Die Güter wurden ab 1918 als Wirtschaftsgebäude des Brauhauses betrieben. Hier wurden Räume für die Handwerker (Böttcher, Tischler, Schlosser, Schmiede) eingerichtet.
Im Donath-Gut wurde bereits um 1910 ein Automobilschuppen geplant und gebaut. Die zu den beiden Gütern gehörigen Felder an der Eibenberger Straße brachten das Futter für die Zugtiere.

Gegen Ende des ersten Weltkrieges befasste sich das Brauhaus auch noch mit der Aufbereitung von Nesselfasern und (bis 1925) mit der Herstellung von Nährhefe.

 

 

 

 


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