Putzgeschäft Anna Lahr
Nun, ein Putzgeschäft war oder ist ganz sicher nicht das, was einige vielleicht dahinter vermuten. Mit Reinigungsdienstleistungen hat das nämlich nichts zu tun, sondern mit „Anputzen“. Oder um es auf den Punkt zu bringen: Es handelte sich um einen Hutladen.
Einen recht guten Einblick in so ein Fachgeschäft gewährt uns das Foto links. Deutlich ist zu sehen, dass Anna Lahr im Aufnahmejahr 1937 ihr 25-jähriges Betriebsjubiläum feierte.
Ein Jahr später wird im Deutschen Reich auch die duale Ausbildung der Putzmacher erstmals staatlich geregelt. Bis ins 20. Jahrhundert hinein stellte die Putzmacherin Hüte für Damen her, während ihr männlicher Kollege „Hutmacher“ genannt wurde und entsprechende Kopfbedeckungen für Männer fertigte. Beide, Putzmacherin wie Hutmacher, stellten auch so manches Mal Kostüme her.
Seit 1969 nennt sich der Beruf Modist/in, es gibt ihn bis heute, wenn auch fast nur noch Frauen in diesem Handwerk ausgebildet werden (wollen).
Rechts: Juli 1931, ein Umzug anlässlich eines Kinderfestes. Über der Tür, die auch den Eingang zum Laden darstellte, befindet sich ein kleines Schild, was auf selbigen hinwies. Das Fenster vorne rechts zur Hauptstraße war zum Zeitpunkt auch das Schaufenster, dort sind einige Damenhüte ausgestellt.
1929 heiratete Anna Lahrs Tochter Dora den aus Böhmisch-Liebau (heute Libina, Olmützer Kreis/Mähren/Tschechei) stammenden Sudetendeutschen Viktor Frömel hier in Einsiedel. Frömel war gelernter Herrenschneider und die wie ihre Mutter als Hutmacherin arbeitende Dora ergänzten sich geschäftlich hervorragend (Foto unten links).
Es war seinerzeit keinesfalls wie heute, dass ein festliches Kleid nur einmal getragen wurde. Solche Kleider waren damals richtig teuer und schon wirtschaftliche Gründe verlangten, dass die Garderobe überarbeitet und modisch angepasst wurde, oft wohl auch mehrfach. Modische Accessoires an den manches Mal recht aufwendig gearbeiteten Kleidern zu überarbeiten, das übernahm die Putzmacherin neben der Hutherstellung auch.
Viktor Frömel (oben rechts) wurde während des Krieges zur Wehrmacht einberufen. Seine Spur verliert sich im Januar 1945, Dora Frömel ließ ihn 1970 für tot erklären. Sie selbst übernahm, nachdem ihre Mutter Anna Lahr im Oktober 1947 verstorben war, am 1. November 1947 das Putzgeschäft und führte es genau zwei Jahre bis zum 31. Oktober 1949 weiter. Es waren vermutlich die äußeren Umstände, die zur Aufgabe führten. In einem von alliierten Bomben völlig zerstörten Ort, der sich mühsam aus den Trümmern erhebt, sind Hüte und modische Kleider ganz sicher nicht das, was zur Bewältigung des Alltags nötig war.
Das Wohnhaus in der Hauptstraße 38 indes trug im Krieg nur geringe Schäden davon, so dass dort nach 1949 eine Lebensmittel-HO untergebracht war. Dazu wurde die rechte Frontseite des Gebäudes um ein kleines Stück nach vorn Richtung Fußweg ausgebaut. Die HO existierte hier nur wenige Jahre, spätestens 1956 war sie nicht mehr im Gebäude.
Die ganze DDR-Zeit über blieb das Gebäude nun ein Wohnhaus. Erst 1992 war hier noch einmal das Schuhgeschäft von Jutta und Manfred Wünsch eingemietet. Aber auch nur für wenige Jahre, spätestens seit 1996 fanden wir die beiden in den wesentlich größeren Geschäftsräumen im Erdgeschoss der Hauptstraße 47 gegenüber.
Uns so ist die Einsiedler Hauptstraße 38 heute nun längst wieder ein reines Wohnhaus.
Wir danken Marlies Frömel für die umfangreiche Unterstützung zu dieser Seite. Neben vielen Daten sind mit Ausnahme des „Kinderfest-Fotos“ sämtliche Schwarzweiß-Aufnahmen von ihr.
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