Der Wasserhochbehälter auf der Körnerhöhe in Einsiedel
Diese Seite widmet sich dem Wasserhochbehälter nahe der Einsiedler “Körnerhöhe”, der noch heute im Urzustand erhalten ist. Dem nachfolgenden, etwas lese-intensiven Artikel wollen wir zwei, drei Worte vorausschicken.
Bei dem hier behandelten Wasserwerk geht es nicht um das der Einsiedler Talsperre unmittelbar nachgeschaltete Wasserwerk, dazu siehe den Artikel ebenda.
In der Einsiedler Chronik von Max List, aber auch in anderen Schriften, finden sich zahlreiche Angaben und Berichte zu dem hier publizierten Bauwerk. Wir zitieren nachfolgend einen Bericht des ehemaligen Gemeinderatsmitgliedes Richard Richter, erneut niedergeschrieben von Max List im Jahre 1975. Dieser Bericht wurde von uns 1 zu 1 übernommen, er ist also geistiges Eigentum der genannten Autoren. Wir haben uns zur genauen Übernahme entschlossen, gibt doch der Artikel die seinerzeitigen Umstände und Widrigkeiten recht detailgetreu wieder, gegen die die Gemeinde (und der Gemeinderat untereinander!) zu kämpfen hatten, bis dieses für Einsiedel so wichtige Bauwerk seiner für den Ort überaus bedeutenden Funktion übergeben werden konnte.
Was uns heute als “seltsam formulierter” Satz vorkommt oder gegen derzeit geltende Rechtschreiberegeln verstößt (z.B. dass mit “ß”), ist der Originalität des Tatsachenberichtes geschuldet.
Die Entstehungsgeschichte der Wasserleitung der Gemeinde Einsiedel.
Ein Bericht von Richard Richter.
Im Januar 1910, also vor Jahren, konnten wir, wenn auch nur ein kleiner Teil der Einsiedler Einwohner – das erste Wasser aus unserer neuerbauten Wasserleitung entnehmen. Es drängt mich schon immer, für die Zukunft festzuhalten, mit welchen Schwierigkeiten die Durchführung dieses Vorhabens verbunden war.
Stets war ich mit der Natur sehr verbunden und dabei beobachtete ich immer, daß auf den Bergen das meiste Wasser zu finden war, daß jeder Berg sumpfige Stellen aufzuweisen hatte und daß dort das Wasser hangabwärts sickerte und sich schließlich ein Bächlein bildete. Die Bergwässer sind stets rein und sauber. Ist nun aber der Abhang des Berges bewohnt, gibt es also dort Jauchengruben, Düngerhaufen, Schleusen, Friedhöfe und vieles andere mehr, so wird das Wasser verunreinigt und wirkt gesundheitsschädigend. Sehr oft kommt es auch vor, daß – wie in Einsiedel – im Tal eisenhaltiger Kies lagert und dadurch das Wasser stark eisenhaltig ist, so daß viele Einsiedler Frauen ihr Brunnenwasser nicht zum Wäschewaschen verwenden konnten.
Im Jahr 1904 baute ich mein Haus Fabrikstr. 17. Dort habe ich 4 Brunnen gegraben. Leider bin ich immer wieder auf unsauberes oder stark eisenhaltiges Wasser gestoßen. Auf diesen Übelstand aufmerksam geworden, hatte ich überall, wo ein Haus gebaut wurde oder wo ich sonst Gelegenheit hatte, meine Gedanken besonders auf die Beschaffenheit des Wassers gerichtet. Ich stelle dabei fest, daß alle die, welche ihren Brunnen auf dem Berg anlegten und das Wasser durch Röhren ins Tal leiteten, sauberes Wasser hatten, dagegen aber alle diejenigen, welche ihre Pumpe am Haus, also im Tal erstellten, nur schlechtes Wasser hatten. So konnte man viele Pumpen mit einem Leinensäckchen sehen, um das Wasser erst durchzuseihen.
Im Laufe der Jahre hatte man sich mit diesem Übelstand abgefunden. Ich hatte jedoch immer den Gedanken, dieses Übel zu beseitigen. Bald sollte sich mir die Gelegenheit dazu bieten – ich wurde in den Gemeinderat gewählt. Als wir dort, es war 1908, unter dem Vorsitz des Gemeindevorstandes Seydel, im Rathaus eine Verfassungs-Ausschußsitzung abhielten, meinte Herr Seydel ziemlich aufgeregt: „Oh, ich habe wieder eine schwere Sache vorliegen.“ Darauf fragte ich ihn: „Nun, was haben Sie denn?“ Da lachte er und meinte, der Herr Amtshauptmann schreibt, wir sollen eine Wasserleitung bauen. Ich klopfte Herrn Seydel auf die Schulter und sagte: „Jawohl, Herr Vorstand, wir bauen eine Wasserleitung.“ „Ja, dass stellen Sie sich sehr einfach vor, diese Sache ist schon wiederholt besprochen worden, aber leider habe ich bis jetzt noch nicht einen einzigen Einsiedler kennengelernt, der Interesse und Verständnis für den Bau einer Wasserleitung gehabt hätte.“
Ich entgegnete: „Jetzt haben Sie aber einen“ und sagte nochmals,: „Wir bauen diese Wasserleitung.“
Als wir uns unter 4 Augen aussprechen konnten, habe ich vorgeschlagen, diesen Punkt solange zurückzustellen, bis ich die notwendigen Unterlagen hierfür geschaffen hätte, um das Projekt auch richtig vertreten zu können. Ich begann sofort, mich auf diesem Gebiet zu orientieren. Ich wendete mich an den Ort Thalheim, welcher kurz zuvor durch Herrn Halbig eine Wasserleitung erstellen ließ. Dann habe ich mich nach einem geeigneten Quellgebiet umgesehen. Des öfteren habe ich mich darüber mit Herrn Seydel besprochen. Er sagte mir, daß er mit der Stadt Chemnitz in Verbindung stehe, um das Wasser aus dem sogenannten Papierwald zu entnehmen. Damit war ich jedoch nicht einverstanden, weil von dort das Wasser Tag und Nacht durch ein Pumpwerk hätte nach einem Hochbehälter transportiert werden müssen. Ich habe die ganze Umgebung von Einsiedel überprüft, aber leider alle Möglichkeiten, wie auch die „Paul-Stiftung“ hatten mir zu wenig Wasser. Ebenso auch der „Oertelbauergrund“, der wohl geeignet war, denn er bekommt keine Abwässer von Berbisdorf und Eibenberg, aber auch hier war nach meiner Ansicht das Niederschlagsgebiet zu klein.
Ich war nun schon etwas vorbereitet und sagte zum Gemeindevorstand, er möchte nun diese Angelegenheit auf die nächste Tagesordnung des Gemeinderates bringen. Als nun Herr Seydel das bewußte Schreiben des Herrn Amtshauptmann vorgelesen hatte, entstand ein förmlicher Tumult. Rufe wie: „Unsinn“ – „Dieses Schreiben gehört in den Papierkorb“ wurden laut. Als nun fast alle Gemeindevertreter sich gegen dieses Schreiben ausgesprochen hatten und sich keiner mehr zu Wort meldete, gab mir Herr Seydel ein Zeichen mit den Augen. Ich verstand ihn sofort und bat um´s Wort. Ich sagte nun:
„Meine Herren, alle diejenigen, welche jetzt gegen diesen Antrag gesprochen haben, können es nicht verantworten, wenn in unserem Ort infolge des schlechten Brunnenwassers einmal eine Epidemie ausbricht. Sie haben keine Ahnung, wie viel wir schlechtes Wasser haben. Zwar haben wohl die Bauern, welche ihr Wasser durch Röhren vom Berg herleiten, also „laufendes Wasser“ bekommen, zum größten Teil gutes Wasser, aber fast der ganze Ort, welcher sein Wasser durch Pumpen im Tale entnimmt, hat nur unsauberes Wasser zur Verfügung. Auf jeden Fall müssen wir die Wasserleitung bauen. Ich muß leider feststellen, dass wir hier nur Gegner für diese wichtige Angelegenheit haben. Ich stelle aber trotzdem den Antrag, einen Ausschuß zu wählen, welcher sich mit dieser Angelegenheit beschäftigen soll, denn einen kleinen Kreis kann ich eher und besser überzeugen, als sämtliche Vertreter“.
Widersprüche erfolgten nicht. Der Antrag ist angenommen. Der Herr Gemeindevorstand bittet um Vorschläge. Es folgten: Hermann Rößler, Karl Beier, Uhlig, Bernhard Golz. Der Vorstand schlägt Richter vor, damit wenigstens ein Interessent in diesem Ausschuß mitarbeitet. Da keine Widersprüche erfolgten, ist die Wahl erfolgt. Es hat mir sehr leid getan, daß gerade in dieser Sitzung mein Freund Guido Riedel nicht anwesend war. Diesen hätte ich vorgeschlagen. – Nun saßen wir aber wieder auf einem toten Punkt. Kein Ausschußmitglied hatte irgend ein Interesse, trotzdem ich mich mit jeden ausführlich besprochen hatte. Ich war wieder auf mich allein angewiesen. Trotz aller Bemühungen war auf Einsiedler Flur kein geeignetes Gelände zu finden. Eines Tages ging ich zu Guido Riedel und machte ihn den Vorschlag, er möchte am nächsten Sonntag mit mir einen Spaziergang machen, um ein Quellgebiet für unsere Wasserleitung zu suchen. Er war auch sofort bereit und schon ging es am nächsten Sonntag früh fort. Über Waldesrauschen nach dem Mühlberg, den Schwarzen Weg nach Dittersdorf zu. Dort kam wohl ein schönes Bächlein aus dem Wald, aber leider war dies Staatswald und auf solchem Gebiet hätten wir für jeden cbm Wasser 2 Pfennige bezahlen müssen. Also gingen wir die Talstraße weiter aufwärts und kamen wieder an einen Bach, und zwar kam dieses vom „Kemtauer Kalkofen“, aber leider wieder aus dem Staatswald. Also ging es wieder weiter, um zu versuchen, ob wir nicht doch noch ein Privatgrundstück finden konnten. In Kemtau angelangt, entdeckten wir bei den letzten Häusern von links kommend einen Bach, über welchen eine Brücke zur Talstraße führt. Wir lehnten uns auf das Brückengeländer und schauten in das hellglitzernde Wasser. In diesem tummelten sich Forellen. Ich sagte: „Wo Forellen sind, kann nur sauberes Wasser sein. Guido, Du stammst doch aus Gelenau und dieser Bach kommt aus dieser Richtung. Weißt Du nicht, wo er eigentlich her kommt?“ Riedel antwortete: „Nein, dieser Grund ist mir unbekannt“, worauf ich sagte: „Na, dann müssen wir untersuchen, wie das Gelände beschaffen ist.“
Wir gingen dem Bachlauf nach, überall sauberes Gelände, im Tal z.Z. sumpfige Wiesen, rechts und links Wald. Nach ziemlich langer Wanderung nahmen die Wiesen ein Ende und auch das Tal war nach oben mit Wald eingesäumt. Kurz vor diesem sahen wir an einem quer durch das Tal gehenden Feldweg ein altes verfallenes Haus und auf den Weg zeigend, meinte er: „Hier stand früher ein Haus am sogenannten Zäppelsteig. Er kommt von Gelenau und führt nach Burkhardtsdorf.“
Dort blieben wir stehen, weil Neueibenberg und die Kirche Eibenberg zu sehen war. Ein wunderbares Gelände. Wir setzten uns und ich sagte zu Riedel: „Guido, schaue einmal nach Eibenberg und schätze, wie hoch wir uns hier befinden werden?“ Nach einer Weile meinte er: „So hoch, wie dort in Neueibenberg rechts der Straße das einzelstehende Haus.“ Ich erklärte: „Das wird nicht reichen. Ich denke wir halten höher.“
Wie dies nun festzustellen? Ich entdeckte im nahe liegenden Wald einen kleinen Teich. Von diesem aus führte ein Graben in Richtung Eibenberg an unseren Füßen vorbei. Es war ein Graben mit wenig Gefälle zum Bewässern der Wiesen. Mir kam ein Gedanke. Ich ging zum Teich, zog den Schützen, deckte ca. 30 m weiter entfernt durch losgelösten Rasen ab und ließ das Wasser solange laufen, bis der Graben voll war und das Wasser im Graben ruhig stand, so, daß der Wasserspiegel eine Waage bildete. Ich nahm darauf 3 Holzstäbe, 2 Stück davon steckte ich fest, dass die beiden vom Wasserspiegel aus bis Oberkante eine Höhe hatten, also wieder eine Waage bildeten. Als wir nun über die zwei Stöcke sahen und die Waage verlängerten, kamen wir bis zur Kirche nach Eibenberg.
Ich fragte nun meinen Freund Guido: „Stimmt das?“ Darauf überzeugte er sich erst noch, ob die Stöcke im Wasser vom Spiegel bis zur Oberkante Stock eine Höhe hatten. Als er sich überzeugt hatte, daß dies stimmte, kam die Antwort: „Jawohl, da gibt es keine Zweifel, das war ein Gedanke. Eine richtige Wasserwaage.“ Ich war sehr erfreut und meinte: „Jetzt haben wir es geschafft.
Wenn wir unseren Hochbehälter in Einsiedel auf die „Körner-Höhe“ setzen, können wir hier mit dem Hauptsammelschrot so viel tiefer gehen, wie die Eibenberger Kirche, so daß das Wasser gerade noch durch eigenen Druck hinauf nach dem Hochbehälter läuft. Also dieser Grund wird unser Quellgebiet.“ Wir sind dann weiter bergaufwärts durch den Wald gegangen, kamen dort auf dem höchsten Berg wieder auf sumpfigen Boden und da sagte mein Freund: „Das ist die „Gelenauer Näß“. Mit der frohen Überzeugung, heute haben wir’s endlich geschafft, ging es nun frohgemut wieder nach Einsiedel zurück. Am nächsten Tag ging ich sofort zum Gemeindevorstand und habe ihm unsere Feststellungen erzählt. Ich besprach mit ihm meine Idee. Darauf nahm er die Landkarte mit Höhenkurven. Diese zeigte, daß meine Wasserwaage richtig gewesen war. Seine Bedenken gegen dieses Objekt waren die zu lange Zuleitung des Wassers. Kurze Zeit danach wurde unser Ausschuß zur Sitzung eingeladen. Der Herr Gemeindevorstand Seydel erzählte von seinem Plan, als Quelle ist das Wasser aus dem Papierwald zu entnehmen und ging anschließend auf mein Vorhaben über, erwähnte aber gleich mit, daß vielleicht doch infolge der langen Zuleitung die Sache zu kostspielig würde. Ich klärte nun erst einmal die Anwesenden auf. Wo gibt es sauberes Wasser? Durch was und wie wird es verunreinigt? Was ist richtiger, wenn Wasser nach dem Hochbehälter gepumpt werden muß oder durch eigenes Gefälle selbst hineinläuft? Nach langen und heftigen Debatten konnte ich feststellen, dass die Anwesenden nicht mehr so ganz gegen meinen Plan waren. Ich empfahl ihnen, sie sollten sich das Grundstück selbst ansehen. Es sollte aber jeder allein gehen und ja keinen Menschen in Einsiedel oder Kemtau etwas davon erzählen. Dies muß geheim bleiben, bis wir das Grundstück gekauft hätten. Zu Hermann Rößler sagte ich: „Du stellst bei dieser Gelegenheit gleich fest, wem das Grundstück gehört, und was dasselbe wert ist.
Zum Schluß unserer Sitzung war Rößler der Erste, der sagte: „Richard hat ja immer keine schlechten Ansichten. Ich rücke morgen früh schon mal los.“ Am nächsten Tag gegen Abend kam Rößler zu mir und sagte: „Richard mich hast Du auf Deiner Seite. Die Wiese ist so sumpfig, daß sie nicht mal zum „Kühaustreiben“ angeht. Sie gehört dem Uhlig Fritz im Kemtau, aber der ist entmündigt. Vormund ist der „Kamerun-Lohs“. Dem Beier-Bäcker habe ich schon gesagt, der will nun morgen früh hinaus.“ Es dauert nun nicht mehr lange, bis wir uns einig waren, das Grundstück zu kaufen. Auch hier kam uns wieder der Zufall zu Hilfe. Die Frau des Gemeindevorstandes Seydel war eine geborene Lohs, also verwandt mit dem Vormund des Besitzers. Inzwischen hatten wir auch Herrn Ingenieur Halbig gebeten, er möchte sich als Fachmann über dieses Projekt aussprechen. Auch er empfahl dieses Grundstück als Quellgebiet außerordentlich. So wurde nunmehr der Kauf abgeschlossen. Aber alles noch im Geheimen.
Einige Wochen später war ich einmal im Gasthof Einsiedel, da kam der Steuerkontrolleur, setzte sich mit an unseren Tisch und erzählte: „Heute habe ich in Kemtau etwas ganz Neues gehört. Einsiedel will eine Wasserleitung bauen!“ Darauf sagte der frühere Bäckermeister Schubert: „Herr Richter, dass müssten Sie doch wissen, Sie sind doch im Gemeinderat“. Meine Antwort war: „Ich habe keine Ahnung, wir haben doch kein Geld.“
Am nächsten Tag ging ich zum Gemeindevorstand und habe ihm dies mitgeteilt und empfohlen, die Sache bei der nächsten Sitzung mit auf die Tagesordnung zu bringen. Als in dieser Sitzung der Punkt „Wasserleitungsbau“ zur Sprache kam, entstand ein förmlicher Tumult. Wie üblich, gingen wir nach der Sitzung in die „Talsperre“ zu einem Glas Bier und hier hätten sie mich am liebsten verprügelt.
Nun ging es rüstig weiter. Herr Halbig wurde beauftragt, einen unverbindlichen Kostenanschlag abzugeben. Aber immer gab es noch eine große Anzahl Gegner, welche versuchten, unseren Plan zu durchkreuzen. Durch eine Zeitung wurde mir bekannt, daß ab 1.1.1910 ein Gesetz in Kraft treten sollte, welches besagt, wenn vom Jahre 1910 ab einem Fluß Wasser entnommen wird, so sind die Betriebe, welche Wasserkraft haben, zu entschädigen. Als ich dies nun vorbrachte, wußte noch kein Mensch etwas davon. Ein Ratsmitglied hat sich sofort bei der Amtshauptmannschaft aufklären lassen und mußte mir recht geben. Nun war es Pflicht, sofort alles zu tun, um unsere Leitung noch im Jahre 1909 fertigzustellen. Sonst würde sie erheblich teurer geworden sein.
Es ging nun alles flott vonstatten. Im Quellgebiet wurde geschürft, Leitungen wurden gelegt, der Hochbehälter gebaut und fast jeden Nachmittag nach Arbeitsschluß fuhr ich per Fahrrad nach Kemtau, weil mich diese Sache am meisten interessierte. Bald hatten oberhalb der Eibenberger Straße schon einige Häuser Wasser. Im Dez. 1909 wurde die Leitung als fertig gemeldet.
Am Weihnachts-Heiligabend hatte unsere Feuerwehr Übung und spritzte das erste Mal aus dem Hydrant Ecke Haupt- und Eibenberger Straße. Angenommenes Brandobjekt war das sogenannte Donath-Gut. Im Jahre 1911 kam leider schon ein ganz trockenes Jahr und das Wasser wurde sehr knapp. Es mußte also, um in anderen Jahren einer Wassernot vorzubeugen, noch mehr geschürft werden. Halbig wurde bestellt und es sollte ein Vertreter der Einsiedler Gemeinde mit nach dem Quellgebiet gehen. Dazu schlug man Herrn Johannes Seifert vor. Dieser lehnte ab und sagte: „Ich will Richter einen freien Tag geben. Der hat eine gute Nase für Wasser.“ Als wir dann am Quellgebiet waren, setzten wir uns ziemlich oben links auf einen Rand. Nachdem wir schon verschiedenes besprochen hatten, sagte ich: „Herr Halbig, wie denken Sie zu dem Grund da drüben? Dies ist der sogenannte Klaffenbachergrund. Der ist doch auch sauber, nach keiner Seite bebaut und liegt auch so hoch, dass unsere Leitung das Wasser mit aufnehmen kann.“ Darauf sagte sofort Herr Halbig: „Das ist ein guter Gedanke.“ Dieser Vorschlag wurde dann auch dem Gemeinderat vorgetragen und das Grundstück wurde gekauft. Als der Kauf fertig war, erhob die Gemeinde Klaffenbach Einspruch mit der Begründung: „Das Wasser braucht die Gemeinde Klaffenbach für sich.“ Doch das Gericht entschied auf Grund des Gesetzes, welches besagt, auf Wasser haben die Anspruchsrecht, zu denen es auf natürlichen Weg hinläuft. Also hatten wir wieder Glück. Es wurde nun dort geschürft und das Wasser mit in unsere Leitung geleitet.
Nun möchte ich noch ein interessantes Erlebnis erwähnen. Es wird im Jahre 1938 gewesen sein. Da hatte ich mit meiner Sanitätskolonne vom Roten Kreuz im Gasthof eine Übung gehabt. Wir saßen nach derselben in der Gaststube. Uns gegenüber war ein Tisch mit verschiedenen Gästen. Von diesem kam plötzlich Herr Hans Kempe zu mir und bat mich, ich möchte doch mal mit zu seinem Tisch kommen. Dort angelangt sagte er: „Herr Richter uns ist bekannt, daß Sie mit unserer Wasserleitung voll und ganz verwachsen sind. Wir haben im Quellgebiet etwas zu besprechen. Würden Sie nicht einmal mit hinauf gehen?“ Ich sagte zu und der mit anwesende Herr Marschner erklärte: „Herr Richter, damit Sie nicht zuviel Zeit opfern müssen, nehme ich Sie in meinem Auto mit, dann können Sie, sobald wir fertig sind, sofort wieder mit zurückfahren.“ Am bestimmten Tage kam Herr Marschner und wir fuhren bis „Vetters Hof“. Dort erwarteten uns die anderen, welche mit dem Zug gefahren waren. Als ich das Zimmer betrat, stand ein Herr auf, begrüßte mich sehr freundlich und sagte: „Sie kennen mich wohl nicht gar nicht, na nehmen Sie erst einmal Platz. An dem Tisch angelangt, meinte dieser Herr: „Herr Richter kennt mich gar nicht mehr. Das war der große Interessent, der fast jeden Nachmittag per Fahrrad von Einsiedel nach dem Quellgebiet kam und unsere Schürfarbeit beobachtete.“
Nun stellte sich heraus, daß es ein technischer Angestellter der Firma Halbig war. Ohne weiteren Aufenthalt gingen wir dann weiter den Höhengrund aufwärts bis dorthin, wo die Wiesen aufhören und der Wald beginnt. Also dorthin, wo ich vor vielen Jahren mit meinem Freund Riedel „die richtige Wasserwaage“ erdacht hatte. Hier ergriff der „Fachmann“ also der Vertreter der Firma Halbig das Wort. „Meine Herren, Ihnen ist doch sicher bekannt, daß bei trockenen Zeiten das Wasser in der Leitung mitunter sehr knapp ist. Deshalb wollte ich vorschlagen, in diesem Wald noch zu schürfen.“ Ich bekam einen förmlichen Schreck und platzte heraus: „Was, hier wollen Sie schürfen? Das kommt gar nicht in Frage!“ Da standen sie alle etwas verblüfft da und Herr Kempe winkte mir zu, ihm nachzukommen. Er fragte mich: „Wie wollen Sie Ihre energische Antwort begründen?“ Ich sagte: „Ja, dieser Wald ist doch unsere Reserve und wenn wir hier schürfen, wird doch dieser Wald entwässert. Dann läuft bei nassen Perioden das Wasser gleich fort und bei trockenen Zeiten hat er keines mehr abzugeben. Also hier können Sie auf keinen Fall schürfen lassen.“ Herr Kempe sagte: „Das ist mir eigentlich einleuchtend.“ Er ging zu den Herren zurück und sagte: „Ich habe mich von Herrn Richter überzeugen lassen. Ich muß ihm beipflichten.“ Als wir uns dann eingehend besprochen hatten, wurde der entstehende Nachteil eingesehen und beschlossen, die geplante Schürfung im Walde zu unterlassen.
Lieber Leser!
Aus den Schilderungen ersiehst Du, welche Widerstände, Hemmnisse und Schwierigkeiten, die uns heute etwas Selbstverständliches und nicht mehr wegzudenken sind, wiedererstehen zu lassen. Nur zu schnell vergehen die Jahre. So schrieb diese Zeilen zur späteren Orientierung, Herr Richard Richter im Jahre 1950 nieder.
Max List 1975
Soweit nun der zeitgenössische Bericht zum Einsiedler Wasserleitungsbau 1909. Aber das ist noch nicht alles.
Wir finden in der Einsiedler Chronik noch einen weiteren Artikel, den Max List für die Nachwelt erhalten hat. Dabei ist auffällig, dass im Bericht von Richard Richter im vorletzten Absatz noch eine Begebenheit erzählt wird, die dieser auf das Jahr 1938 datiert. Wenn wir uns nun aber den nachfolgenden Artikel durchlesen, scheinen sich diese Ereignisse wohl auf die Jahre 1934/35 zu konzentrieren.
Aus dem Jahresbericht der Gemeinde 1934-36
Niedergeschrieben von Max List (vermutlich nach 1975)
Das Wasserwerk zeigte im Jahr 1934 nicht das gewohnte günstige Bild, man mußte leider feststellen, daß die vorhandenen Wasserquellen nicht zur ausreichenden Versorgung der Gemeinde langten. So wurde im Jahr 1934 die Einwohnerschaft zum sparsamen Wasserverbrauch angehalten, eine Wassersperre konnte jedoch vermieden werden. Von dem Bezug von Zusatzwasser aus dem Chemnitzer Rohrnetz sah man ab, da der zu hohe Lieferpreis keine rentable Wasserwirtschaft gewährleistet und sich in ein Abhängigkeitsverhältnis mit der Großstadt Chemnitz nicht einlassen wollte. So hat die Gemeinde eigenes Wasser in ihrem Kemtauer Wasserwerksgebiet durch die Anlegung eines neuen Schurfes erschlossen. Auch die Ermittlung für einen weiteren Wasserlauf am Neueibenberger Wasserpumpwerk haben zu einem günstigen Ergebnis geführt und nachdem das Arbeits- und Wohlfahrtsministerium die Hergabe eines Darlehns in Höhe von 5.000,– Mark zugesagt hat, wurden dieses Arbeiten bei Eintritt günstiger Witterung in Angriff genommen. Die eingebauten Zulaufs- und Überlaufmesser ergaben die Möglichkeit zur Durchführung einer geregelten Wasserwirtschaft. Der Gesamtzulauf aus den Quellgebieten in das örtliche Rohrnetz betrug 136.066 cbm. Die Wasserabgabe an die Verbraucher stellte sich auf 197.746 cbm. 38.320 cbm gingen durch Überlauf verloren. Es errechnet sich ein täglicher Durchschnittsverbrauch von 540 cbm, das sind 110 Liter pro Tag und Kopf. Durch den Einbau einer automatischen Schaltanlage wurden auch die Betriebskosten für das Pumpwerk gesenkt. Das Wasser ist bei den durchgeführten chemischen und bakteriologischen Untersuchungen als ein klares, gutes und schmackhaftes Trinkwasser bezeichnet worden, welches allerdings einen ziemlich hohen % Satz von aggressiver Kohlensäure enthält. Diese hat in den letzten Jahren die Wandungen der Rohrleitungen angegriffen. Nach einem Gutachten der Sachverständigen blieb nichts übrig, als dem Rohrnetz eine Wasserentsäuerungsanlage vorzuschalten, die diese Mängel behebt. Die Ausführung erfolgte 1936 und muß immerhin mit einer Ausgabe von 16-18.000,– Mark gerechnet werden. Das Burkhardtsdorfer Wasserwerksgebiet wurde 1936 mit 12.000 Fichten neu bepflanzt und auch im Kemtauer Gebiet sollen Anpflanzungen fortgesetzt werden.
Im “Wochenblatt für Einsiedel” vom Sonntag den 19. Juni 1910 lesen wir einen recht detaillierten Bericht von den Einweihungsfeierlichkeiten des Wasserwerkes am 13. Juni 1910:
“Bei schönstem Sonnenschein und richtiger Sommerhitze erstiegen die Festteilnehmer am Montag mittag die Körnerhöhe, um von da nach kurzem Rundblick zum Hochbehälter des Wasserwerkes zu gelangen.”
Die beiden Einsiedler Gesangsvereine “Männergesangverein” und “Liederhalle”, intonierten zu Beginn der Feierlichkeiten das Lied:
“Mit dem Herrn fang alles an”.
Alsdann war es der Erbauer des Werkes, der Ingenieur Arthur Halbig aus Chemnitz, der dem Einsiedler Gemeindevorstand Seydel die Schlüssel des Wasserwerkes übergab. Seydel richtete nun einige Worte an die Festteilnehmer. Er erwähnte, dass man sich seit 20 Jahren mit solch einem Vorhaben getragen habe und wies darauf hin, dass letztendlich regierungsseitig veranlasste Brunnenuntersuchungen der Gemeinde gar keine andere Möglichkeit gaben, als solch ein Wasserwerk zu errichten. Auch vergaß er nicht, die Arbeit der Firma Halbig zu loben. Seydels Worte führten den Festteilnehmern noch einmal die Schwierigkeiten der vergangenen Monate vor Augen.
Sodann übergab Seydel das Wort an den Einsiedler Pfarrer Buddensieg, der in “herrlichen, zu Herzen gehenden Worten”, die kirchliche Weiherede hielt. Als Vertreter der Königlichen Amtshauptmannschaft beglückwünschte Regierungsrat Dr. Kuppert die Gemeinde.
Nun war es Zeit für eine allgemeine Besichtigung des Hochbehälters. Im Anschluss daran gab der Erbauer Arthur Halbig noch ein großes Frühstück für die zahlreichen Teilnehmer. Der Einsiedler Fotograph Hermann Förster hat uns diesen Augenblick für die Nachwelt erhalten (Vorlage Ingobert Rost).
Wir erkennen am linken Tisch den Einsiedler Brauereibesitzer Emil Schwalbe (mit aufgelegtem linkem Arm über der Stuhllehne). Beide Gesangsvereine brachten hierbei noch das Lied: “Wer hat dich, du schöner Wald, aufgebaut so hoch da droben” zum Vortrag.
Alsdann war es der Finanzrat Pietsch zu Chemnitz, der in einer humorvollen Rede die Vorzüge des Einsiedler Wasserwerkes gegenüber dem Chemnitzer Werk zum Ausdruck brachte, in dem er meinte, dass die Einsiedler den Chemnitzern über seien, da ja der Einsiedler Hochbehälter noch höher als die Talsperre liege.
Nach Fototerminen vor Ort spazierte man über Waldesrauschen in den Gasthof Einsiedel, wo ab 17 Uhr eine Festtafel angesetzt war. Zahlreiche Gäste und erneute Ansprachen kennzeichneten auch diese Veranstaltung.
Dem Zeitgeist entsprechend wurde an den sächsischen König Friedrich August III. ein Huldigungstelegramm gesandt:
König Friedrich August, Majestät, Dresden.
Ew. Königlichen Majestät entbieten zur Weihe des Gemeindewasserwerkes versammelte Einwohner Einsiedels unter dem erneuten Gelöbnis unwandelbarer Treue ehrfurchtsvollen Huldigungsgruß durch
Seydel, Gemeindevorstand
Auch an dem ehemaligen Amtshauptmann zu Chemnitz, mittlerweile in Dresden tätig, seinerzeit aber ein eifriger Förderer des Vorhabens, geht ein Telegramm:
Geheimrat Dr. Morgenstern, Dresden.
Es drängt die dankbare Gemeinde Einsiedel, Herrn Geheimrat Dr. Morgenstern, den allgemein verehrten ehemaligen Amtshauptmann, dem allezeit wohlwollenden Freunde der Gemeinde Einsiedel am Tage der Wasserwerksweihe herzlichst ausgesprochenen Gruß und Dank zu widmen, durch
Seydel, Gemeindevorstand
Am folgenden Tag ließ der König antworten:
Herrn Gemeindevorstand Seydel, Einsiedel.
Seine Majestät der König lassen für den übersandten Huldigungsgruß allerhöchst seinen Dank aussprechen.
Wachwitz, Kgl. Villa.
von Schmalz, Major u. Flügeladjutant
Und auch Geheimrat Dr. Morgenstern sandte ein Antworttelegramm, das tags darauf hier eintraf:
Gemeindevorstand Seydel, Einsiedel.
Herzlichen Dank für freundlichen Gruß und herzlichen Glückwunsch zu dem heutigen, für die Gemeinde Einsiedel hochwichtigen Tage.
Morgenstern
Mit der Festtafel waren die Einweihungsfeierlichkeiten aber noch nicht beendet. Neben dem Hauptpunkt der Trinkwasserversorgung war natürlich auch die Bereitstellung von Löschwasser mittels Hydranten ein nicht zu unterschätzender Vorteil für die Einsiedler. So fand noch eine Feuerwehrübung statt. Angenommene Brandobjekte waren die Fabrik von Guido Riedel (Hauptstraße 97) und danach das Rathaus. Vier Leitungen, gespeist von zwei Hydranten, ermöglichten eine Wasserfontäne noch über das Rathausdach hinaus. Das Spektakel lockte freilich viele Interessenten an. Diese sahen auch noch eine weitere Druckprobe an der Kirche. Der Wasserstrahl, direkt am Kirchturm in die Höhe gerichtet, reichte weit über den Glockenstuhl hinaus. Feuerwehr, Gemeinderat, Festteilnehmer und Zuschauer waren mit der Druckprobe zufrieden.
Den letzten Teil der Wasserwerksweihe bildete ein wohlgelungener Kommers (hochoffizielle Feier/Festveranstaltung) im Gasthof Einsiedel. Wir lesen im Wochenblatt:
“Ein von Herrn Lehrer Möbius verfaßtes humoristisches Tafellied über das Wasserwerk trug noch wesentlich zur Erhöhung der Feststimmung bei.”
Am 9. Dezember 1910 trat dann die nebenstehende „Wasserwerks-Ordnung“ in Kraft. Hier war von den Grundstücksanschlüssen über die Wasserentnahme bis zum Wasserzins alles geregelt.
(Vorlage: Matthias Matthes)
Der Wasserzins, also der Preis, richtete sich entweder nach der Jahresmiete einer Wohnung (z.B. 211 bis 240 Mark Miete = 10 Mark Wassergeld) oder nach „Wassermessern“ (1910 je m³ 20 Pfennig, mindestens jedoch jährlich 30 Mark).
Im März 2023 erhielten wir durch den Kemtau/Eibenberger Heimatverein 1992 e.V., „Arbeitsgruppe Ortsgeschichte“, noch zwei Bilder eines interessanten, diese Seite hier gut ergänzenden Vertrages.
Vertrag zwischen den Gemeinden Eibenberg und Einsiedel vom 29. Februar 1912 zum Bau der Wasserleitung über Eibenberger Flur
Die beiden genannten Flurstücke sind Gemeindestraßen in Neueibenberg („Abau“).
Ich nehme an, dass es sich um die erste Leitung vom Uhlig-Grund („Hölle“) in Kemtau handelt.
(Anmerkungen: Jürgen Claußner)
Schlussendlich noch zwei Fotos vom Einsiedler Wasserwerk. Wie bereits erwähnt, ist das ursprüngliche Aussehen fast unverändert.
Links eine Aufnahme aus den 1960er Jahren. Das antennenartige Gebilde oben auf den Zinnen ist ein Pegelanzeiger. In einem Rohr in der Mitte lief ein Schwimmer, beidseitig davon waren die Markierungen. Man konnte den Wasserstand also bereits von außen erkennen.
(Foto links: Jürgen Krauß)
Diese Seite wurde aus der Ursprungsversion 2004, die seinerzeit mit einer speziellen Software (NetObjects Fusion) gestaltet worden war, fast identisch übernommen. Es kann hierbei manchmal zu Darstellungsproblemen kommen, in erster Linie deshalb, weil die eingefügten Bilder kleiner sind als die Aufnahmen, die wir seit dem Wechsel des Layouts bei allen neueren Seiten einfügen.
Die bildlichen und textlichen Inhalte stellen den Stand unserer Veröffentlichung zu diesem Grundstück/Areal dar, wie er in der Version 2004, die über zehn Jahre (2004-2014) ausgegeben wurde, publiziert war. In vielen Fällen liegen in unserem Archiv ergänzende Daten, Fotos oder Belege vor.
In unserem Archiv habe ich einen Vertrag zwischen den Gemeinden Eibenberg und Einsiedel vom 29.02.1912 zum Bau der Wasserleitung über Eibenberger Flur gefunden.
Den könnte ich als Kopie (Ablichtung) zur Verfügung stellen.
Mich interessiert der Verlauf der Leitungen. Gibt es davon Risse?
Jürgen Claußner