Ehemalige Ortslistennummer/Brandkatasternummer (nicht bekannt)
Vom „Plätt-Uhlig“, von der Kosa und von den Friseuren Belling und Hamar
Einmal Wäsche waschen und mangeln, bitte!
In dieser Zeit arbeitete hier der „Plätt-Uhlig“. Dabei handelte es sich um die Wäscherei von Otto Uhlig (links), eine Wäschemangel betrieb er vor Ort ebenfalls.
Schon im Adressbuch 1913 finden wir ihn: Uhlig, E. Otto, Plättereiinhaber
Eine Plättmaschine ist eine Bügelmaschine oder – wohl noch sehr geläufig – eine Mangel. Ja, und diese Plättmaschine gab ihm den ortsläufigen Namen „Plätt-Uhlig“.
Die Arbeitsräume waren im Anbau, dieser ist auf dem Foto oben gut zu erkennen. Im Jahre 1912 wurde das Haus ans Stromnetz angeschlossen, die Voraussetzung für den Betrieb der Mangel. Aber wir kommen weiter unten noch zu Uhligs Maschinen.
Seine Töchter Hertha und Erna mussten die gewaschene und gemangelte Wäsche den Kunden nach Hause bringen.
Sie wohnten beide bis zu ihrem Tod hier im Haus.
Im Adressbuch von 1926/27 finden wir beim Mangelbetreiber Otto Uhlig jetzt als Berufsbezeichnung „Altwarenhändler“ und auch ein Hilfsweichenwärter Hermann Uhlig war hier gemeldet.
Übrigens, Uhlig – diesen Nachnamen lesen wir im Einsiedler Adressbuch 1926/27 66-mal, davon 9-mal Otto Uhlig! Und genannt sind immer nur die Haushausvorstände bzw. Witwen.
Noch am 4. April 2007 finden wir einige der alten Mangel- und Waschmaschinen vor Ort … die Zeit scheint stehen geblieben zu sein.
Beginnen wir also eine kleine Reise – zurück in die „gute, alte Zeit“ …
Gleich neben der Eingangstüre sehen wir das erste alte Relikt: eine Zählertafel aus dem Jahre 1912. Ab 1911 war elektrischer Strom in Einsiedel verfügbar. Vielleicht herrschte damals auch Anschlusszwang und es war für die Hausbesitzer sicherlich eine ebenso große finanzielle Hürde wie heutzutage etwa ein Kanalanschluss.
Beim Vor-Ort-Termin im April 2007 sind wir dankbar für das Hinweisschild, das irgendwer am Zählerplatz hinterlassen hat.
Linkes Foto: Unübersehbar die größte Maschine, die im Anbau steht; eine Wäschemangel – Uhlig’s Wäschemangel!
Der ehemalige Hersteller ist auf dem Fabrikationsschild problemlos lesbar.
An der Seite der Mangel lesen wir folgendes Kürzel:
D.R.G.M. – „Deutsches Reichs – Gebrauchsmuster“
Folgen wir den Transmissionsriemen, führen diese uns in einen weiteren Raum mit allerlei Waschmaschinen. Direkt an die Transmission angeschlossen ist die Maschine rechts: eine Schleuder.
Und auch das Fabrikationsschild der Schleuder ist noch lesbar:
Ernst Herrschuh Mangelfabrik Chemnitz i.S.
Gleich daneben eine „neuere“ Turna-Waschmaschine, ganz sicher nicht aus „Uhligs Zeiten“.
Und links dahinter ein rätselhaftes Gerät, dessen Aufgabe sich uns nicht erschließt.
Wo hingegen einen solchen Kessel für Kochwäsche viele von uns noch kennen werden.
Man sieht vor dem geistigen Auge den Großvater unten im Waschhaus den Ofen anfeuern und die Großmutter mit einem dicken Holz die Wäsche im Emaillekessel stampfen …
Kosa – „Ab Fabrik durch eigene Läden direkt an den Verbraucher“
Später bezog die Kosa die Geschäftsräume. Der Beginn des „Kosa-Fabrikverkaufs“ mit eigenem Geschäft in Einsiedel kann nur vage auf Anfang der 1930er-Jahre festgelegt werden. Aus dieser Zeit stammt auch das Bild oben.
Informationen zur Kosa sind schwer zu finden. Schon die Firmenbezeichnung resp. Rechtsform ist zweideutig: Zum einen Kosa Schokoladenfabrik Rolle K.-G., zum anderen Kosa Kakao- und Schokoladen AG, aber immer: Niederoderwitz (Sachsen). Man verkaufte in einer Art „Fabrikverkauf“ Süßwaren in allerlei Variationen, vor allem natürlich Schokolade. Mit zahlreichen Filialen war die Kosa reichsweit vertreten. Bereits im Oktober 1946 wurde die Firma enteignet und später ein Werk des VEB Dresdner Süßwarenfabriken „Elbflorenz“.
Die Friseure
Nach 1945 zog der Damen- und Herrenfriseur Ernst Belling hier ein. Er hatte seinen Salon vorher in der Hauptstraße 47, dieses Gebäude wurde allerdings ein Opfer des anglo-amerikanischen Bombenterrors im März 1945.
Nebenstehend eine Reklameanzeige aus dem Jahr 1956.
Nach dem Tod Ernst Bellings übernahm sein Sohn Herbert die Geschäfte, nach dessen Tod 1971 seine Witwe Gertrud.
(Vorlage: Uta Zschäckel)
Am 14. Februar 1989 übernahm Andrea Hamar in selbstständiger Regie den Salon von Gertrud Belling, die die Geschäfte bis weit übers siebzigste Lebensjahr hinausgeführt hat. Andrea Hamar hatte 1972 bei den Bellings als Lehrling angefangen.
Rechts eines von vielen Glückwunschschreiben zur Geschäftseröffnung. Die „Konsumverkaufsstelle 307“ befand sich im Gebäude gegenüber in der Hauptstraße 44 – der „rote Konsum“ ob seiner Backsteinfassade genannt.
(Vorlage: Andrea Hamar)
Die beiden Bilder oben zeigen uns auch gleich einmal die angenehmen Seiten des neuen „Chefin-Seins“: Kassieren und dann Kaffee trinken … 😉
Im „Salon Andrea“ im Sommer 1989.
1996 erfolgten dann recht umfangreiche Baumaßnahmen …
… die dem Salon von Andrea Hamar ein sehr zeitgemäßes Ambiente gaben. (Fotos: Andrea Hamar)
Zehnjähriges Geschäftsjubiläum 1999
(Alle Fotos des „Salons Andrea“ seit 1989: Andrea Hamar)
6. April 2024: Die Mangel bewegte sich heute zu Demonstrationszwecken ein letztes Mal. Aber nicht elektrisch, sondern mit Muskelkraft setzte sich der Kasten in Bewegung und glitt über die Rolle. In dem großen Holzkasten befinden sich Steine, die das nötige Gewicht zum Glätten der Wäschestücke lieferten.
Diese alte Kaltmangel wird nun zerlegt und entsorgt. Niemand, auch kein Museum, wollte sie haben …
Für die Unterstützung zu dieser Seite bedanken wir uns bei:
- Andrea Hamar
- Jonas & Michael Pape
- Peter Weber
In diesem Haus habe ich die ersten vier Lebensjahre verbracht. Ich habe erfahren ,dass es von einem Ortsfremden ersteigert wurde und noch immer leer steht, mit Ausnahme des Friseursalons. Sehr sehr schade